- kommunale Bewegung: Städte und Städtebünde auf dem Höhepunkt ihrer Macht
- kommunale Bewegung: Städte und Städtebünde auf dem Höhepunkt ihrer MachtTrotz blühender spätmittelalterlicher Städtelandschaften lebte, von regionalen Ausnahmen abgesehen, die überwiegende Mehrheit der Einwohner West- und Mitteleuropas auf dem Lande, und dies blieb so bis in das 19. Jahrhundert hinein. Aber selbst Bürger der vielen kleineren und mittleren Städte betrieben häufig noch Landwirtschaft.Städtelandschaften in Oberitalien und FlandernDie frühesten und die am stärksten verdichteten Städtenetze bildeten sich in Oberitalien und dann in Flandern. Oberitalienische Kommunen waren bereits im Verlauf des Hochmittelalters teilweise zu unabhängigen, miteinander rivalisierenden und das Umland dominierenden Stadtrepubliken geworden, deren Führungsschicht sich aus altem Stadtadel und reichen Kaufleuten rekrutierte; der Einfluss der Zünfte variierte, als Herrschaftsform setzte sich im Verlauf des Spätmittelalters zumeist die signoria, die monokratische Herrschaft eines Einzelnen oder eines einzelnen Geschlechts, durch.Der Einfluss äußerer Mächte auf die italienischen Kommunen blieb bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, dem Beginn der habsburgisch-französischen Auseinandersetzungen in und um Oberitalien, auf ein Minimum beschränkt. Denn die Versuche Friedrichs II. zur Wiederherstellung der Reichsansprüche waren letztlich gescheitert, auch wenn man die Parteinamen Guelfen und Ghibellinen bei geändertem Bedeutungsgehalt für in erster Linie innerstädtische Parteiungen weiter verwendete und formale Ansprüche der römisch-deutschen Kaiser aufrechterhalten wurden. Während des Spätmittelalters konnte sich ein gewisses Gleichgewicht der führenden Kommunen herausbilden, wobei sich die Stellung einzelner Städte beträchtlich verändern konnte. So geriet etwa die zuvor bedeutende Handelsstadt Pisa nach der Unterwerfung 1406 unter den Einfluss der Stadt Florenz.Hohe Profite waren im Fernhandel zu erzielen, gerade auch bedingt durch die energisch verteidigte Mittlerstellung für (Luxus-)Waren aus dem Orient und deren Weiterverkauf in das übrige Europa. Es entstanden aber auch eigene Produktionszentren im Exportgewerbe (z. B. Wollverarbeitung). Für den Fernhandel eigneten sich besonders teure, haltbare und gut transportierbare Güter mit einer günstigen Gewicht-Preis-Relation, wie z. B. Gewürze und kostbare Stoffe.In Nordwesteuropa war der Aufstieg des Städtewesens eng verbunden mit der Herstellung von teurem, schwerem Tuch. Es entstanden Tuchreviere mit ausgebildeten Fachkräften, günstigen Rohstoffbezugs- (englische Wolle) und Absatzmöglichkeiten (zunächst Champagnemessen) sowie hohem technischem Standard. Bereits früh wurde das Umland der flandrischen Städte in die Produktion einbezogen, wobei allerdings die höher qualifizierten Tätigkeiten zumeist städtischen Handwerkern, die ihrerseits verstärktem Druck seitens der großen Unternehmungen ausgesetzt waren, vorbehalten blieben. Die Position des ehemals exklusiven Patriziats wurde durch Landesherrschaft und Zünfte von oben wie von unten geschwächt. Nicht die Tuchherstellung — vor allem mittlerer und leichterer Qualitäten — in kleineren Städten und auf dem Land löste die Krise im 14. Jahrhundert aus, ihre Ursachen lagen wohl eher in einer veränderten Nachfragestruktur und in den neu entstandenen Produktionszentren in den ehemaligen Rohstoffimport- bzw. Absatzgebieten. Brügge, das im 14. Jahrhundert zumindest außerhalb des Mittelmeerraums der wichtigste europäische Handelsort war, verlor gegenüber Antwerpen und schließlich Amsterdam an Boden. Außerdem wurde die Region durch innerstädtische Konflikte, den Kampf gegen auswärtige Ansprüche und den auf flandrischem Boden ausgetragenen Konflikt zwischen Frankreich und Habsburg um das burgundische Erbe Ende des 15. Jahrhunderts geschwächt.Dass die mittelalterlichen Städte auch ein bedeutender politischer Faktor waren, zeigt nach dem lombardischen Städtebund des Hochmittelalters der letztlich jedoch gescheiterte Rheinische Städtebund von 1254, dem sich neben geistlichen Landesherren auch zahlreiche Adlige anschlossen. Ziel waren die Landfriedenswahrung und die Verhinderung neuer Zollstellen, beides wichtige Bedingungen für den gewachsenen Handel.Der nach dem Tod des römisch-deutschen Königs Wilhelm von Holland 1256 gefasste Beschluss, bei einer Doppelwahl keinen der Thronprätendenten anzuerkennen, sollte sich wegen der auseinander strebenden Interessen gerade auch der einzelnen Städte als wirkungslos erweisen. Ein überregionales dauerhaftes Bündnis kam nicht mehr zustande. Immerhin reichte der Bund 1256 von Bremen und Lübeck im Norden bis Basel und Zürich im Süden, während Aachen im Westen sowie Mühlhausen (Thüringen), Nürnberg und Regensburg im Osten die Grenzen der Ausdehnung markierten. Aber auch nach dem Scheitern des Rheinischen Städtebundes spielten die Städte in der Landfriedenspolitik immer wieder eine führende Rolle und schlossen vor allem regionale Bündnisse (z. B. Schwäbischer Städtebund von 1376). Die Hanse blieb dagegen von handelspolitischen Interessen der Mitglieder dominiert; sie konnte wegen der Vielzahl der angeschlossenen Territorialstädte keinen auch politisch als Ganzes agierenden Städtebund bilden.Zur sozialen GliederungSicherlich waren Städte keine Inseln von Gleichberechtigten inmitten einer sonst ständisch geprägten Gesellschaft, aber im Unterschied zum agrarischen Umland waren Bürger und zumindest teilweise die sonstigen Einwohner der größeren Städte persönlich frei. Zusätzlich gewann das Vermögen, wenn auch häufig traditionell in Landbesitz angelegt, eine steigende Funktion für die Gliederung der sozialen Hierarchie, da formal-rechtlich kaum Unterschiede zwischen den Bürgern bestanden. Die deutlichsten besitzbedingten Sozialdifferenzierungen dürfte es in den Fernhandelszentren gegeben haben, weil hier die besten Voraussetzungen zur Akkumulation beträchtlicher Vermögen bestanden. Überhaupt stellte die Beteiligung am Handel die wohl größte Chance zur Kapitalbildung und damit zum sozialen Aufstieg dar. So wurden teilweise auch die Faktoren, die Leiter der großen Handelsgesellschaften, von diesen mit zunächst kleinen Beträgen an den Unternehmungen und damit am Gewinn beteiligt, sicherlich auch um das Eigeninteresse an den Geschäften zu wecken. Weiterhin entschieden die Ehre bzw. die Ehrbarkeit (äußerlich verdeutlicht z. B. in Statussymbolen und Prozessionsordnungen) und die regional unterschiedliche soziale Bewertung des Berufs über die soziale Stellung. Hinweise auf die Vermögen bieten überlieferte Steuerverzeichnisse, die jedoch bei weitem nicht flächendeckend vorliegen; in nicht wenigen Fällen lassen sie auch nicht die Art und Weise der Steuererhebung und die eventuell unterschiedliche Belastung von immobilen und mobilen Vermögenswerten erkennen.Mit der modellhaften Vorstellung (Erich Maschke) von der Drei- bzw. Vierteilung der städtischen Gesellschaft — Oberschicht, (obere und untere) Mittelschicht und Unterschicht — lassen sich wohl noch am ehesten überregionale Vergleiche anstellen; die Diskussion um die soziale Schichtung und die zu verwendenden Modelle ist jedoch keineswegs abgeschlossen. Allgemein zu beobachten sind, wenn auch mit deutlichen Unterschieden, die Tendenz zur Abschließung der Oberschicht, des in der frühen Neuzeit so bezeichneten Patriziats, bzw. die Aufnahme nur weniger neuer Familien in die städtische Führungsschicht und ihr Bestreben, die eigene Lebensführung an die des Adels anzugleichen, was mitunter zum Verlassen der Stadt führte. Auch der in etlichen Städten im Spätmittelalter beginnende Verdrängungsprozess der zeitlich ersten Führungsschicht verlief uneinheitlich. Die ursprünglich machtbesitzende Oligarchie konnte sich in der herkömmlichen Form meist nicht behaupten.Die in den Steuerlisten als »arm« bezeichneten Bürger sind dies zunächst nur in steuertechnischer Hinsicht, d. h., sie wurden nicht zur Vermögenssteuer veranlagt. Von ihnen zu unterscheiden ist die oft große Gruppe der von einer nach wie vor stark kirchlich geprägten Almosenvergabe oder Ähnlichem abhängigen Bewohner, deren Eigenmittel sie stets an oder schon unter der Grenze des Existenzminimums leben ließ. Allerdings konnten in den immer wieder auftretenden Krisen der vorindustriellen Agrarwirtschaft große Teile der Einwohnerschaft, gerade auch der Handwerker, ihre materielle Lebensgrundlage verlieren. In solchen Zeiten wurde die verbilligte Ausgabe von Lebensmitteln, vor allem von Brot, als Aufgabe des Rates angesehen, der seinerseits Hungerrevolten besonders zu fürchten hatte. Nicht im Besitz des (vollen) Bürgerrechts waren Geistlichkeit und, soweit sie in den Städten geduldet wurden, die Juden. Beide Gruppen zählten aber keineswegs zur Unterschicht, zu der Gesellen, Knechte, Mägde sowie Randständige (z. B. Angehörige unehrlicher Berufe) und Außenseiter gehörten, die nicht in jedem Fall ökonomisch arm sein mussten.Innerstädtische UnruhenDie ausgeprägte Sozialdifferenzierung der Einwohnerschaft war eine wesentliche Voraussetzung für die zahlreichen Stadtunruhen des Spätmittelalters. Meist ging es dabei entweder um die Teilhabe ökonomisch aufsteigender Gesellschaftsgruppen an der Macht oder aber um Aktionen gegen obrigkeitliche Tendenzen des Stadtregiments. Auch die Steuer- und Finanzpolitik des Rates konnte Konflikte auslösen. Um überhaupt führende städtische Ämter wahrnehmen zu können, war ein gewisses Vermögen unabdingbar, denn bei diesen meist ehrenamtlichen, aber zeitaufwendigen Tätigkeiten durfte man nicht auf tägliches Einkommen angewiesen sein. Häufig stand am Ende der Konflikte eine Erweiterung des Kreises der ratsfähigen Familien unter Beibehaltung der bestehenden politischen Strukturen. Beispielsweise öffnete der nach der Beseitigung der Geschlechterherrschaft in Köln 1396 erlassene Verbundbrief den Rat ebenso wie sonstige Gremien potenziell allen Mitgliedern der Gaffeln, bei denen es sich in diesem Fall um eine Art politischer Zünfte handelte. Allerdings zeigten sich bald Probleme, für die zu besetzenden Positionen und zu bewältigenden Aufgaben geeignete Personen zu finden, die über genügend Zeit (Vermögen) und Wissen verfügten. Auch dies erleichterte im folgenden Jahrhundert eine allmähliche Rücknahme von einzelnen Bestimmungen durch die sicherlich breiter gewordene, nicht mehr homogene Führungsschicht. Es handelte sich bei allen diesen innerstädtischen Unruhen noch nicht um schichtenspezifische Auseinandersetzungen oder gar »Klassenkämpfe«, zu unterschiedlich waren gerade die aufständischen Gruppen zusammengesetzt; Ansätze zu solchen schichtenspezifischen Konflikten sind am ehesten in den hoch entwickelten norditalienischen Kommunen zu erkennen.Weit verbreitet war die Entwicklung von berufsorientierten Handwerkerverbänden, deren Hauptaufgabe die Regelung ökonomischer Interessen innerhalb des jeweiligen Verbandes war. Hinzu kamen die Außenvertretung gegenüber anderen Zünften und dem Stadtregiment sowie geistliche Aufgaben (z. B. Stiftungen für das Totengedenken verstorbener Mitglieder) und soziale Verpflichtungen (z. B. Unterstützung kranker Mitglieder). Waren die Zünfte zu Beginn noch relativ offen, schlossen sie sich gegen Ende des Mittelalters immer stärker ab, um die Interessen der augenblicklichen Mitglieder auch gegen (ungewollte) potenzielle Konkurrenz beitrittswilliger Interessenten zu verteidigen; das Problem der Überbesetzung bestimmter Berufe stellte sich regional unterschiedlich dar. Allerdings empfanden auch Teile der Mitgliedschaft die Regelungsdichte und die Beschränkungen der Produktionsausweitung und -intensivierung als hinderlich für ihre wirtschaftlichen Interessen.Ähnliche Organisationsformen kannten die Kaufleute bereits seit dem Hochmittelalter mit den ursprünglich stärker bruderschaftlich denn ökonomisch ausgerichteten Gilden. Die ältesten Statuten von Kaufmannsgilden sind aus Saint Omer und Valenciennes vom ausgehenden 11. Jahrhundert überliefert. Letztlich änderte sich an den realen Machtstrukturen innerhalb einer Stadt aber auch dann nur wenig, wenn es gelang, die führenden Stadtbürger dem Zunftzwang zu unterwerfen, da diese sich in eigenen Gruppen wie den Basler Herrenzünften zusammenschlossen und ohnehin für die Masse der Handwerksmeister eine hochrangige Ratsposition schon wegen ökonomischer Zwänge nicht wirklich erreichbar war.Häufig boten neben allgemeinen Krisen die Finanzpolitik, insbesondere Steuererhöhungen oder steigende Ungeldbelastungen (indirekte Steuern) durch den Rat, den Anlass für innerstädtische Unruhen, wobei das zentrale Problem wohl die Geheimhaltung der kommunalen Finanzen gegenüber der Bürgerschaft war und nicht ein prinzipiell verantwortungsloser oder gar korrupter Umgang mit den Haushaltsgeldern. Allerdings konnten unglücklich gewählte »außenpolitische« Optionen erhebliche finanzielle Belastungen für die gesamte Bürgerschaft nach sich ziehen. Die Mehrzahl der kleineren und mittleren Kommunen war dagegen in die Territorial- bzw. Landespolitik eingebunden, ihr Freiraum war gering.Der florentinische Ciompi-Aufstand und der Braunschweiger AufstandDer florentinische Ciompi-Aufstand von 1378 folgte auf eine Versorgungskrise in der ersten Hälfte des Jahrzehntes und anschließende kostspielige militärische Auseinandersetzungen mit päpstlichen Truppen sowie mit Mailand. Die städtische untere Mittelschicht hatte sich noch vor der Jahrhundertmitte in arti minori (niedere Zünfte) organisiert und einzelne Vertreter der kleinen Handwerker und Kaufleute waren in die traditionell von Bankiers und Großhändlern bzw. Unternehmern, dem popolo grasso, gebildete Führungsschicht gelangt. Zahlreiche Handwerker im dominierenden Wollgewerbe waren von Unternehmern abhängig geworden. In der schlechtesten ökonomischen Situation befanden sich die Lohnarbeiter, die der Erhebung den Namen gebenden ciompi (»Wollkämmer«). Zunächst setzte sich Salvestro Medici an die Spitze des Aufstandes, ein Indiz für die tief greifenden Spannungen zwischen den Familien der Oberschicht, bevor sich die einer Eigendynamik folgende Bewegung gegen die ökonomisch dominierenden Familien richtete. In dieser Situation zeigten sich typische Differenzen zwischen radikaleren und verhandlungsbereiten Aufständischen, letztere zielten zumeist auf konkrete Verbesserungen ihrer sozialen Lage, weniger oder kaum auf umfassende politische Reformen. Die ciompi wurden geschlagen, aber erst 1382 konnte das alte Regiment wiederhergestellt werden.Die Bemühungen um verstärkte Teilhabe am städtischen Regiment konnten auch einander benachbarte Städte zum indirekten Eingreifen veranlassen: Der Braunschweiger Aufstand von 1374 in finanziell gespannter Lage — Anlass war nach dem Bericht des Chronisten ein Gerücht, dass der Rat die zu gemeinsamen Verhandlungen erschienenen Gildemeister verhaften lassen wollte — gipfelte in der Hinrichtung einiger und der Vertreibung weiterer Mitglieder der städtischen Führungsschicht. Diese erreichten von anderen Hansestädten, so Lübeck, Hamburg und Lüneburg, deren Rat natürlich ähnliche Vorkommnisse fürchtete, den Ausschluss Braunschweigs aus der Hanse, die Verhansung, die erst nach Wiederherstellung des inneren Friedens und Ausgleichsverhandlungen aufgehoben wurde.Die PestEinen scharfen demographischen Einschnitt brachte sowohl auf dem Land wie auch in fast allen Städten die Große Pest von 1347/52, auch wenn das Bevölkerungswachstum bereits zuvor zurückgegangen war. Europäischen Boden erreichte die Pest nach den Epidemien des Frühmittelalters erstmals wieder 1347 über Caffa, eine genuesische, von den Tataren belagerte Handelsniederlassung auf der Krim. Mit den fliehenden, bereits infizierten Kaufleuten und Schiffsbesatzungen kam die Seuche 1347/48 als Lungen- und Beulenpest zunächst in die italienischen Seehäfen und verbreitete sich rasch über Europa. Die Erkrankung war weder medizinisch bekannt noch irgendwie heilbar, als wirksamster Schutz erwies sich die Flucht auf das dünn besiedelte Land. Die Seuche folgte den wichtigen Handelswegen, über See schneller als über Land. Noch 1348 war Spanien erreicht, ebenso Paris und die kontinentalen Häfen am Ärmelkanal, von wo aus England, Skandinavien und Teile Norddeutschlands infiziert wurden. Im Reich begann das Große Sterben 1349, wobei einige Städte wie höchstwahrscheinlich das zentral gelegene Nürnberg, wo die Pest erstmals 1359 sicher nachgewiesen ist, und weite Teile Ostfrankens, Böhmens und Schlesiens verschont blieben. Verlässliche Angaben über die Zahl der Pesttoten fehlen meistens und dürften auch nicht mehr rekonstruierbar sein. Meist rechnet man mit Bevölkerungsverlusten von 20 bis 50 Prozent, eine Annahme, die wohl zu hoch gegriffen ist. Generell unvereinbar sind die quantitativen Angaben zeitgenössischer Quellen und der Historiker mit den Überlegungen der Mediziner über die Verbreitungs- und Ansteckungsmöglichkeiten, die auf diesem Weg zu deutlich niedrigeren Zahlenwerten kommen.Auf jeden Fall dürfte die herannahende Katastrophe erhebliche psychische Belastungen verursacht haben, während die fast überall im Reich initiierten Judenpogrome zumeist vor dem Auftreten der Seuche in der jeweiligen Stadt begannen. Die Vermögen wurden in großem Maße erbrechtlich umverteilt und konzentrierten sich auf überlebende Familienmitglieder, die Nachfrage nach Arbeitskräften und die Bereitschaft zur Zahlung höherer Löhne wuchs, trotz der zahllos erlassenen Lohntaxen. Allgemein von einem »goldenen Zeitalter« der Lohnarbeit oder der Handwerker zu sprechen dürfte jedoch übertrieben sein, zu bescheiden blieben die materiellen Bedingungen, zu allgegenwärtig trotz gelegentlicher Üppigkeit die Gefahr des Absinkens in Armut. Auch fielen die Getreidepreise erst mit zeitlicher Verzögerung, allerdings anhaltend. Nach 1352 periodisch folgende Epidemien sind nicht immer als Beulenpest identifizierbar; das in den Quellen der Zeit benutzte Wort »Pestis« bedeutet ganz allgemein »Seuche«. Jedenfalls trugen sie bei zum anhaltenden Bevölkerungsrückgang; die Städte blieben auf Zuwanderung dringend angewiesen.Auch wenn es den Anschein erwecken könnte, ist die Geschichte einer Stadt im Spätmittelalter keine Geschichte der fortdauernden kommunalen Krise. Allerdings wurden die Störfaktoren von den Zeitgenossen (wie heute noch) aufmerksam registriert. Die Städte konnten vielmehr ihre ökonomische Stellung noch ausbauen. Die Vielzahl neu erbauter Rathäuser und weiterer repräsentativer Gebäude wie auch Ansätze zur Verbesserung der hygienischen Verhältnisse und des Wohnumfeldes bezeugen nicht zuletzt städtisches Selbstbewusstsein und finanzielle Leistungskraft.Prof. Dr. Ulf Dirlmeier und Dr. Bernd FuhrmannWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Stadt: Ihre Rolle in der europäischen GeschichteGrundlegende Informationen finden Sie unter:Stadt: Stadtentwicklung und Stadtgesellschaft im MittelalterBeiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas, herausgegeben von Wilhelm Rausch. Auf mehrere Bände berechnet. Linz 1963 ff.Benevolo, Leonardo: Die Stadt in der europäischen Geschichte. Aus dem Italienischen. München 1993.Dirlmeier, Ulf: Untersuchungen zu Einkommensverhältnissen und Lebenshaltungskosten in oberdeutschen Städten des Spätmittelalters (Mitte 14. bis Anfang 16. Jahrhundert). Heidelberg 1978.Frühgeschichte der europäischen Stadt. Voraussetzungen, Grundlagen, herausgegeben von Hansjürgen Brachmannund Joachim Hermann. Berlin 1991.Die Geschichte der Stadt, bearbeitet von Leonardo Benevolo. Aus dem Italienischen. Frankfurt am Main u. a. 71993.Girouard, Mark: Die Stadt. Menschen, Häuser, Plätze. Eine Kulturgeschichte. Aus dem Englischen. Frankfurt am Main u. a. 1987.Histoire de la France urbaine, herausgegeben von Georges Duby. 5 Bände. Paris 1981-92. Teilweise Neuausgabe.Hohenberg, Paul M. / Lees, Lynn Hollen: The making of urban Europe, 1000-1950. Cambridge, Mass., u. a. 1985.Holbach, Rudolf: Frühformen von Verlag und Großbetrieb in der gewerblichen Produktion (13.-16. Jahrhundert). Stuttgart 1994.Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter. 1250-1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft. Stuttgart 1988.Maschke, Erich: Städte und Menschen. Beiträge zur Geschichte der Stadt, der Wirtschaft und Gesellschaft 1959-1977. Wiesbaden 1980.Pitz, Ernst: Europäisches Städtewesen und Bürgertum. Von der Spätantike bis zum hohen Mittelalter. Darmstadt 1991.Reulecke, Jürgen: Geschichte der Urbanisierung in Deutschland. Frankfurt am Main 31992.Die Stadt in der europäischen Geschichte. Festschrift Edith Ennen, herausgegeben von Werner Besch u. a. Bonn 1972.Stoob, Heinz: Forschungen zum Städtewesen in Europa, Band 1: Räume, Formen und Schichten der mitteleuropäischen Städte. Köln u. a. 1970. Mehr nicht erschienen.
Universal-Lexikon. 2012.